- Kindesmisshandlung
- Kịn|des|miss|hand|lung, die (Rechtsspr.):Misshandlung, böswillige Vernachlässigung, das Quälen eines Kindes durch die Eltern, den Vormund o. Ä.
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IKindesmisshandlung,im weiteren Sinn jede körperliche oder seelische Schädigung eines Kindes. Im engeren Sinn die Schädigung eines Kindes durch Personen, die in einem besonderen Maße zur Sorge eines Kindes verpflichtet sind, als Eltern, Verwandte, Erziehungsberechtigte, Lehrer, usw. Noch bis in unser Jahrhundert hinein existierte ein besonderes »Züchtigungsrecht« gegenüber Kindern, das eine Bewertung oder Hilfe von außen nahezu ausschloss: Kindesmisshandlung wurde rechtlich und moralisch als Privatangelegenheit betrachtet. Heute gilt der Grundsatz, dass bei Eltern, Erziehern und Personen in vergleichbarer Stellung eine besondere Verpflichtung dem Kind gegenüber vorliegt. Kinder sind auf deren Sorge, Unterstützung und Hilfe angewiesen. Deshalb steht heute der Schutz von Kindern auch vor diesem Personenkreis im Vordergrund.Der Deutsche Kinderschutzbund nimmt an, »dass über 10 % aller Kinder in Deutschland schweren körperlichen Züchtigungen ausgesetzt sind«. Das sind über 1,2 Millionen Kinder und Jugendliche. Die Kindesmisshandlung kann körperlich oder seelisch sein oder auch durch ein Unterlassen begangen werden.Körperliche Kindesmisshandlung liegt vor, wenn einem Kind vorsätzlich Schmerzen (z. B. durch Schläge) oder Verletzungen zugefügt werden, aber auch, wenn Krankheiten nicht behandelt werden oder das Kind länger nichts zu essen oder trinken erhält. Seelische Kindesmisshandlung sind Demütigung, Isolierung oder das unnötige Ängstigen, Herabsetzen oder Missachten von Kindern, sowie dauernde Über- oder Unterforderung. Seelische Kindesmisshandlung ist wohl die häufigste Form von Kindesmisshandlung. Sie ist immer auch in körperlicher Misshandlung enthalten. Sie wiegt deshalb so schwer, weil gerade diejenigen Personen, denen ein Kind vertraut und bei denen es Schutz sucht, diese Grundlage zerstören. Kindesmisshandlung gibt es auch in Form von sexuellem Missbrauch.Häufig ist die Familie der Ort, an dem Kinder geschlagen, gedemütigt und sexuell missbraucht werden. Eltern, die ihre Kinder körperlich oder seelisch missbrauchen, sind fast immer mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert, z. B. weil sie persönliche, finanzielle oder berufliche Probleme oder Schwierigkeiten mit dem Partner haben. Es kommt vor allem dann zu Gewalttaten gegenüber Kindern, wenn die Eltern ihnen die Schuld an der eigenen Unzufriedenheit und den eigenen Problemen geben. Viele Eltern, die ihre Kinder körperlich oder seelisch misshandeln, sind selbst als Kinder geschlagen und gedemütigt worden und kaum in der Lage, Spannungen auszuhalten und Konflikte ohne Gewaltanwendung auszutragen. Neben Ursachen, die in der Familie selbst liegen, werden heute auch gesellschaftliche Faktoren wie Isoliertheit und Anonymität der Familie in der Gesellschaft, milieubedingte Einflüsse, allgemeine Kinderfeindlichkeit, strenge Erziehungsmethoden und familienspezifische Entwicklungen diskutiert.Kinder, die misshandelt werden, haben oft Angst davor, sich jemandem anzuvertrauen oder darüber zu sprechen. Sie befürchten weitere Misshandlungen, erwarten, dass man ihnen nicht glauben würde, oder versuchen, den »Ruf« der Familie oder des Täters zu schützen. Manchmal weiß man auch nur nicht, an wen man sich wenden kann. Dies gilt auch für Freunde, Freundinnen oder Nachbarn, die Kindesmisshandlung bemerken. Grundsätzlich kann man sich an jeden wenden, der mit dem oder der Betroffenen zu tun hat, also an einen Lehrer, eine Kindergärtnerin, einen Pfarrer oder einen Sozialarbeiter. In größeren Städten existieren spezielle Beratungstelefone und Gruppen, die sich für Kinder und Jugendliche einsetzen. Man kann sich aber auch direkt an das Jugendamt, den Kinderschutzbund oder an die Polizei wenden. In allen diesen Stellen arbeiten Frauen und Männer, die Erfahrung mit Kindesmisshandlung haben und helfen können.IIKindesmisshandlung,bewusste oder unbewusste körperliche oder seelische Gewalt gegenüber Kindern. Kindesmisshandlung kann sowohl in der Familie (durch Eltern oder Erziehungsberechtigte) als auch in Einrichtungen wie Kindergärten, Heimen oder Schulen geschehen. Sie kann Schädigungen, Entwicklungshemmungen oder sogar den Tod des Kindes zur Folge haben und wird strafrechtlich verfolgt (sofern Anzeige erstattet wird).In Deutschland wurden nach Angaben des Bundeskriminalamtes Wiesbaden 1995 insgesamt 1 675 Fälle von körperlichen Misshandlungen, 16 013 Fälle sexuellen Missbrauchs und 29 Kindestötungen offiziell registriert; nach Expertenschätzungen liegt die tatsächliche Zahl verübter Kindesmisshandlungen jedoch bis zu zehnmal höher. Der Deutsche Kinderschutzbund geht davon aus, »dass über 10 % aller Kinder in Deutschland schweren körperlichen Züchtigungen ausgesetzt sind« (das heißt circa 1,2 Mill. aller Kinder bis zu 14 Jahren beziehungsweise circa 1,5 Mill. der Kinder bis zu 18 Jahren). Während der Begriff der Kindesmisshandlung früher global gebraucht wurde, unterscheidet man heute körperliche, seelische und sexuelle Kindesmisshandlung sowie körperliche und seelische Vernachlässigung.Als Ursache von Kindesmisshandlungen werden neben psychopathologischen Modellen (»krankhafte Täterpersönlichkeit«) heute auch soziokulturelle Phänomene (Isolierung und Anonymität der Familie in der Gesellschaft, milieubedingte Einflüsse, allgemeine Kinderfeindlichkeit, repressive Erziehungsmethoden) und familienspezifische Dynamiken diskutiert. In Deutschland wurden in den letzten Jahren verstärkt Beratungsstellen eingerichtet, denen in den achtziger Jahren ein Anstieg der Kindesmisshandlung um das Zehn- bis Zwanzigfache bekannt wurde. Diese Beratungsstellen wahren strikte Neutralität gegenüber Behörden, sollen misshandelnden Eltern helfen und Personen, die von Kindesmisshandlungen wissen, eine Meldung ermöglichen. Das Personal dieser Institutionen, die meist dem nichtbehördlichen Deutschen Kinderschutzbund angeschlossen sind, setzt sich aus Ärzten, Psychologen und Sozialpädagogen zusammen, die präventive, aufklärende, betreuende und therapeutische Arbeiten leisten.IIIKindesmisshandlung,im strafrechtlichen Sinne eigentlich Misshandlung von Schutzbefohlenen, die als erschwerte Form der Körperverletzung nach § 223 b StGB im Normalfall mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht ist; geschützt sind hiernach u. a. Personen unter 18 Jahren, die von Fürsorge- oder Obhutspflichtigen gequält, roh misshandelt oder böswillig vernachlässigt werden. Zur Kindesmisshandlung i. w. S. zählen auch die Kindesvernachlässigung - Gefährdung des körperlichen und sittlichen Wohls eines Kindes (unter 16 Jahren) durch gröbliche Vernachlässigung der Fürsorgepflichten (§ 170 d StGB) - und der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB, Schutzbefohlene) sowie der sexuelle Missbrauch von Kindern (§ 176 StGB). Kindesmissbrauch begeht, wer sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von einem Kind vornehmen zu lassen; ebenso, wer ein Kind dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen lässt (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren). - Ähnliche Strafvorschriften zum Schutz von Kindern enthalten die StGB Österreichs (§§ 92 f., 197, 199, 206 f., 212) und der Schweiz (Art. 123 ff., 136, 187 ff., 191 f.). - In Deutschland wurden (1995) 1 876 Fälle von Kindesmisshandlungen und 16 013 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern von der Kriminalstatistik erfasst. Da nur ein kleiner Bruchteil bekannt wird, gehen Schätzungen von über 100 000 Fällen von Kindesmisshandlungen pro Jahr aus.Nach einem von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates im Oktober 1987 beratenen Bericht stellt der Missbrauch von Kindern ein weltweit verbreitetes ernstes Problem dar, das verschiedene Facetten aufweist: Teilaspekte sind der Kinderhandel sowie die Kinderprostitution, der viele von zu Hause weggelaufene Kinder anheim fallen (Prostitution). Ferner spielt, auch in europäischen Staaten, der Missbrauch von Kindern als Arbeitskräfte (Kinderarbeit) eine Rolle. (Jugendschutz)W. Brinkmann u. a.: Gewalt gegen Kinder - Kinderschutz. Eine sozialwissenschaftl. Auswahlbibliogr. (1986);E. Trube-Becker: Gewalt gegen das Kind (21987);K., hg. v. H. Olbing u. a. (1989);H. Olbing: Mißbrauchte Kinder (1992);T. W. Stumpf: Opferschutz bei K.en (1995).* * *
Kịn|des|miss|hand|lung, die (Rechtsspr.): Misshandlung, böswillige Vernachlässigung, das Quälen eines Kindes durch die Eltern, den Vormund o. Ä.
Universal-Lexikon. 2012.